Ralf Schlag - der Mann für alle Fälle

Seit über 25 Jahren in der Bilderbogenpassage

Wenn irgendwo im Haus das Licht flackert, die Heizung stottert oder der Müllplatz mal wieder aussieht, als hätte eine Horde Waschbären Party gefeiert – dann ist er schon unterwegs: Ralf Schlag. Ein Mann, der nicht viel Aufhebens um sich macht. Aber einer, der mitdenkt, mitfühlt – und einfach macht.

„Ich hab ja als Haustechniker hier angefangen. Aber wenn der Hund hinmacht und keine Reinigungskraft da ist – dann nehm ich halt den Besen und mach’s weg. Wie sieht das denn sonst aus?“ sagt er und schmunzelt. “Ich ärger mich dann – also mach ich’s lieber gleich selbst.” So einer ist Ralf. Pragmatiker, Möglichmacher, Herzmensch.

Mit Gefühl für Technik – und Menschen

Ralf weiß, wann die  Schranke zum Parkplatz klemmt, bevor jemand meckert. Er spürt, wenn die Zutrittskarten bald nicht mehr funktionieren, weil’s zu kalt geworden ist. „Das seh ich dem Kasten an. Man entwickelt ein Gespür. Viele Sachen reparier ich inzwischen selbst – über YouTube oder einfach, weil ich’s irgendwann gelernt hab.“

Lernen war sowieso nie das Problem. Der gelernte Elektroinstallateur aus Neuruppin hat fast alles gemacht, was man mit Händen schaffen kann: Elektrik, Heizung, Brandschutztechnik. Selbst Leitungen in der neuen Arztpraxis hat er eigenhändig gezogen. „Früher haben wir für alles Firmen geholt. Heute bau ich die Brandmeldeanlage – und die anderen müssen sie nur noch programmieren.“

Ein Leben für das Handwerk

Geboren 1963, aufgewachsen in Neuruppin. Die Lehre machte er in der DDR, bei der PGH als Elektroinstallateur. Danach Armeezeit, aber Offizier werden? Das kam für ihn nie in Frage. Stattdessen ran an die Arbeit – wie der Vater, der Maurer war. Ralf durchlief sämtliche Gewerke: Heizungsbau, Elektro, Schaltschränke lackieren, Leitungen ziehen, Anlagen verkabeln. Ein Handwerker durch und durch.

„Wenn ein Brenner bei uns nicht mehr lief, war der wirklich kaputt. Wir haben Dinge wieder zum Laufen gebracht – mit Kugelschreiberminen, Gummibändern oder alten Federn. Improvisation war unsere Stärke.

Ein Netzwerk wie früher

In Neuruppin kennt man sich – zumindest, wenn man Ralf Schlag heißt. Sein Netzwerk? Handwerkerkollegen aus der DDR-Zeit, Stadtwerke, Sanitärbetriebe. „Früher hat man sich geholfen. Heute ruft man an, sagt ‘Ralf, ich brauch was’, und dann geht das. Ohne Tauschgeschäft – einfach so.“

Das bedauert er ein wenig: „Meine Generation stirbt langsam aus. Die, die noch einfach helfen, ohne großes Theater.“

 

Von der Zwischenlösung zum Lebenswerk

Eigentlich wollte er nur kurz überbrücken – als er 1998 in der Bilderbogen Passage anfing. „Ich war mit der Heizungsfirma unzufrieden, hab gesehen, dass die jemanden suchen – dachte, das mach ich mal für ein paar Monate.“Aus ein paar Monaten wurden über 25 Jahre.

Die Passage? Damals ein Prestigeprojekt. Alles vermietet, Fünfjahresverträge, professionelle Agenturen planten Hochglanz-Marketingstrategien. „Aber was zählt, ist nicht das Papier – sondern dass jemand da ist, der sich kümmert.“ Und das war – und ist – Ralf.

„Ich hab hier die Stellung gehalten – wie Kevin Costner in Der mit dem Wolf tanzt. Die anderen kamen aus Berlin, einmal im Monat. Ich war jeden Tag hier.“

Mitten im Leben, mitten in der Stadt

Die Passage hat viele Geschichten gesehen. Verkäuferinnen, deren Jobs vom Arbeitsamt mitfinanziert waren. Sozialprojekte für Jugendliche und Senioren. Förderprogramme kamen – und gingen. Leerstände, Insolvenzen, neue Betreiber. „Irgendwann hieß das ‘Revitalisierung’. Klingt gut – aber geholfen hat’s nur, wenn hier jemand war, der die Leute kannte und der sich gekümmert hat.“

Ralf hat nicht nur Glühbirnen gewechselt – er hat Beziehungen gepflegt. Mit Mietern, mit Passanten, mit den Jugendlichen, die auf dem Platz Fußball spielen. „Ich kenn meine Pappenheimer. Erst gibt’s Ärger, dann werden sie anständig. Und wenn sie Jahre später als Handwerker zurückkommen und mich grüßen – das ist das Schönste.“

Wandel und 50 Anrufe täglich – Ralf Schlag über seinen Alltag in der Passage

Als 2021 mit Christian Maier der neunte Inhaber der Passage übernahm, bedeutete das für Schlag eine echte Umstellung. „Der war plötzlich dreimal die Woche hier – nicht einmal im Monat wie seine Vorgänger“, sagt er schmunzelnd.

Dass die Passage heute wieder voll vermietet ist, schreibt er auch Maiers Engagement zu: „Christian will die Menschen hier wirklich kennenlernen.“ Doch dessen spontane Ideen und ständiger Tatendrang sind für den 60-Jährigen, der seit Jahrzehnten den Überblick über die Passage behält, nicht immer leicht zu verdauen: „Christian hat ständig neue Ideen und will sie sofort umsetzen“, sagt er, während er auf sein Telefon blickt.

Bis jetzt, 16 Uhr, hatte ich 50 Anrufe – 50 Probleme. Ich bin mit meinem Tagesgeschäft schon voll ausgelastet.“ Und trotzdem ist der Zusammenhalt hier etwas Besonderes: Jeder grüßt jeden, man kennt sich, mit all seinen Macken – und man behandelt einander so, dass sich alle wohlfühlen. Wie zur Bestätigung ruft aus dem Lotto-Laden jemand herzlich: „Ralfi, Ralfi!“ Schlag lächelt: „Und das würde mir sehr fehlen.“

Der Mann, der bleibt

Ralf Schlag ist keiner, der laut ist. Er redet nicht von sich – er tut. Er ist der erste, der morgens da ist, und der letzte, der abends abschließt. Er kennt jeden Winkel, jede Steckdose, jede Geschichte dieses Hauses.

Und vielleicht ist genau das das Geheimnis, warum die Bilderbogen Passage heute noch steht – trotz Leerstand, Insolvenz und Wandel.

Denn während andere kamen und gingen, blieb einer immer da: Ralf Schlag – der Mann für alle Fälle.